Bereits mit dem Besitz von 0,1 Gramm Cannabis handelt man illegal. Trotzdem ist die Zahl gelegentlicher Cannabiskonsumenten in den letzten Jahren gestiegen. Das merkt auch Tim Bennewitz, der seit 20 Jahren in der Drogenhilfe tätig ist und vor drei Jahren das Partyprojekt des Vereins Odyssee e.V. ins Leben gerufen hat. Mit dem Projekt informiert er zu illegalen Substanzen und setzt sich für eine offene und akzeptanzorientierte Beratung ein. Dass Cannabis zu den illegalen Substanzen gehört, sieht er kritisch.

FHEWS: Cannabis ist mit Alkohol eine der beliebtesten Drogen unter jungen Menschen und wird von circa zwei bis vier Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig konsumiert. Was genau ist Cannabis?

Tim Bennewitz: Ursprünglich ist Cannabis eine Nutzpflanze, die zu den Gewächsen der Hanfpflanzen gehört, aber schon früher in verschiedenen Kulturen als Rauschdroge verwendet wurde. Die Blüten der weiblichen Cannabispflanze enthalten den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC), der den Rauschzustand hervorruft. Wie alle anderen Drogen wirkt Cannabis im Gehirn und greift dort in den Hormonhaushalt und den normalen Vorgang von Neurotransmittern ein.

FHEWS: Cannabis hemmt also die Kommunikation zwischen zwei Nervenzellen. Das klingt nicht ganz ungefährlich…

Tim: Hier muss klar zwischen Jugendlichen und Erwachsenen unterschieden werden. Inzwischen gibt es viele Studien, die belegen, dass Cannabis bei Erwachsenen kaum Schäden anrichtet und, dass das Schädlichste wohl ´nur´ das Nikotin im Joint ist. Bei Jugendlichen hingegen kommt es zwar weniger zu Organschäden, dafür besteht aber ein Risiko für Verknüpfungsschäden. Das bedeutet, dass sich Nervenzellen nach dem Rausch nicht mehr so verbinden lassen wie vorher, was zu starken psychischen Beeinträchtigungen führen kann. Das geht von akustischen und optischen Halluzinationen über Zwangsstörungen, bis hin zu Angstzuständen. Außerdem steigt das Risiko an einer Psychose oder Schizophrenie zu erkranken.

Studieren und kiffen ist für viele junge Menschen scheinbar kein Problem. (Bildquelle: Pixabay)

Studieren und kiffen ist für viele junge Menschen scheinbar kein Problem. (Bildquelle: Pixabay)

FHEWs: Diese Gefahren werden immer wieder auch von Befürwortern des Cannabis-Verbots aufgezählt. Wie stehst Du persönlich zu dem Cannabisverbot?

Tim: Ich halte es für wenig sinnvoll. Allerdings muss man mit Blick auf eine Cannabislegalisierung auch hier wieder zwischen Jugendlichen und Erwachsenen unterscheiden. Eine Freigabe an Heranwachsende und Jugendliche würde ich auf keinen Fall unterstützen, eine Legalisierung wie zum Beispiel in den Niederlanden in Form von Apothekenverkauf und Coffeeshops für Menschen ab 21 Jahren hingegen schon.

FHEWs: Welche Vorteile hätte so eine Legalisierung? Junge Menschen würden ja dennoch über den Schwarzmarkt an die Droge gelangen…

Tim: Ich will nicht sagen, dass der Schwarzmarkt durch eine Legalisierung ganz verschwinden würde, aber es wäre legal deutlich besserer Stoff zu bekommen. Hier wären auch die Schwarzmarkthändler bemüht mit der Qualität mitzuhalten.

FHEWs: Besserer Stoff bedeutet einen größeren Rausch?

Tim: Nein, „besser“ ist zu verstehen im Sinne von „reiner“. Es ist ein Irrglaube, dass Cannabis, so wie Konsumenten ihn rauchen, ein natürlicher Stoff ist. Er ist mit allerlei Streckmitteln vermischt, wobei Vogelsand, Glassplitter und Blei noch die harmlosesten Stoffe sind. Auch Haarspray, Legal Highs und Pestizide werden dazu gemengt und setzten beim Verbrennen hochgiftige Gase frei, die der Konsument dann einatmet. Natürlich würde es trotz Legalisierung auch weiterhin junge Cannabiskonsumenten geben, aber wenn sie schon konsumieren, wären sie zumindest vor den giftigen Zusatzstoffen geschützt.

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Die Blüten der weiblichen Cannabispflanze enthalten den Wirkstoff THC. (Bildquelle: Pixabay)

FHEWs: Cannabis wird im Vergleich zu Alkohol immer wieder als deutlich weniger schädlich angesehen. Wie erklärst Du dir, dass Cannabis dennoch illegal ist und Alkohol nicht?

Tim: Wäre Alkohol erst zur heutigen Zeit erfunden worden, wäre er aufgrund seiner neurotoxischen Wirkung auf jeden Fall auch verboten. Er kann starke Nervenschäden verursachen und bei übermäßigem Konsum zum Tod führen. Fälle von Menschen, die sich „zu Tode gekifft haben“, sind jedoch nicht bekannt. Das Verbot ist viel eher in der Geschichte begründet. Anfang des 20. Jahrhunderts war Hanf eine wirtschaftlich bedeutsame Nutzpflanze in der Kunstfaserindustrie und wurde dann als Resultat von Lobbyarbeit in Amerika verboten. Dieses Verbot ist dann auch nach Europa übergeschwappt und bis heute bestehen geblieben.

FHEWs: Dennoch belegen Studien, dass etwa 5-10 % der Cannabiskonsumenten eine Abhängigkeit entwickeln…ganz unbegründet scheint das Verbot also doch nicht zu sein?

Tim: Natürlich bleibt Cannabis eine Droge, die ich auch nicht verharmlosen möchte. Sie kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen mit der typische Symptome wie Interessens- und Hobbyverlust einhergehen. Allerdings äußert sich die Abhängigkeit nicht so massiv wie zum Beispiel eine Alkoholabhängigkeit. Hier kommt noch die körperliche Abhängigkeit mit entsprechenden Entzugserscheinungen dazu. Für Cannabis ist eine solche körperliche Abhängigkeit bis heute nicht bewiesen.

FHEWs: Woran erkenne ich denn eine psychische Abhängigkeit?

Tim: Anders als bei anderen Drogen sind die Symptome für eine Cannabisabhängigkeit sehr viel versteckter und weniger offensichtlich. Dennoch kann starker Konsum das Alltagsleben beeinträchtigen, was sich beispielsweise darin äußert, dass der Konsument Probleme hat einem geregelten Tagesablauf oder einer Berufstätigkeit nachzugehen. In der Regel wollen die Abhängigen nicht wahr haben, dass sie ein Suchtproblem haben. Mit gezielten Fragen nach der Häufigkeit des Konsums, Schlafstörungen oder Stimmungswandel bei einem längeren Aussetzen des Konsums, lässt sich schnell erkennen, ob tatsächlich eine Abhängigkeit besteht.

FHEWs: Wie helfe ich, wenn ich merke, dass jemand in meinem Bekannten- oder Freundeskreis ein Konsumproblem hat?

Tim: Wichtig ist erstmal zu wissen, dass man gegen die Sucht eines anderen keine Chance hat. Die Einsicht und der langfristige Wunsch aufzuhören, müssen tatsächlich von dem Konsumenten selbst kommen. Hierin kann man ihn mit ersten Schritten unterstützen, indem man rät, sich mit einer Bezugsperson zu unterhalten oder auch fachliche Hilfe zu suchen. Das können Beratungsstellen, Wohngruppen oder auch der Hausarzt sein.

Du kiffst häufig und bist nicht sicher, ob du abhängig bist? Hier kannst du einen Selbsttest machen.
Beratungsstellen in Kiel:
Partyprojekt ODYSSEE e.V.
HORIZON Kiel gGmbH
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