Meine Handflächen brennen schon beim dritten Mal. Und ich bin noch lange nicht fertig. Ich ziehe an einem Seil, um das Segel hochzuziehen. Mit reiner Muskelkraft würde ich da gar nichts bewegen, ich muss meinen ganzen Körper einsetzen, mich ans Seil hängen, nachgreifen und mich wieder reinhängen – unzählige Male. Spätestens jetzt weiß ich, Segeln ist harte Arbeit.

Der Platz auf dem Schiff ist begrenzt, deshalb kommt man automatisch in Kontakt. Die Treppen sind so eng, dass immer nur einer hoch- oder einer runtersteigen kann. Das Mittagessen wird gemeinsam unter Deck gegessen, an einem Tisch. Ich komme automatisch mit den anderen ins Gespräch.

Die Crew schwitzt für ihren Kapitän

Es ist wie in einem kleinen Dorf aus einer anderen Zeit. Denn das Leben ist an Deck zwar körperlich anstrengend, aber für den Geist die pure Erholung. Die Crewmitglieder erzählen mir von mehrtägigen Touren auf hoher See. Der Kapitän schläft dann wenig, weil er für das gesamte Schiff und die Crewmitglieder verantwortlich ist. Es herrscht strenge Hierarchie. Wenn er Anweisungen gibt, werden sie sofort ausgeführt und das schnell. Das heißt an Seilen ziehen oder ans andere Ende des Boots rennen und reagieren bis einem die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Und wenn das Klo verstopft ist oder etwas  kaputt geht, müssen die es Männer selbst reparieren.

Doch das stört die Seeleute alles nicht. “Das ist normal, das gehört dazu”, sagt Smutje Rolf. “Das Tolle an Bord ist die Kameradschaft, die ist einzigartig.” Einer passt auf den anderen auf. “Wenn wir in einem Hafen liegen und zwei, drei Mann nachts noch feiern sind, bleibt immer einer wach und passt auf, dass sie sicher wieder aufs Boot kommen.”

Der begrenzte Platz befreit mich

Als Gast auf dem Segelschiff bekomme ich nur einen  Hauch einer Ahnung von dieser Gemeinschaft. Das Festland ist mit all meinen Pflichten und Aufgaben in weiter Ferne und mit dem Handy habe ich fast keinen Empfang. Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt und die Menschen um mich herum. Im Alltag fällt mir dasoft schwer zwischen Whatsapp, Netflix und Facebook. Wie oft tippe ich noch eine Nachricht zu Ende, obwohl mir ein Mensch gegenüber steht, dem eigentlich meine volle Aufmerksamkeit gehören sollte? Zu oft. Auf dem Schiff merke ich, dass mich die eingeschränkten Möglichkeiten befreien. Rolf stellt sich neben mich und bringt es auf den Punkt: “Das Schönste am Segeln ist die himmlische Ruhe und die Weite.”

Aber worum es bei der Seefahrt wirklich geht, verstehe ich erst, als ich zurück an Land bin. Die Franzius legt nach sechsstündigem Segeltörn an, ich verabschiede mich von der Crew und gehe zu Fuß durch die Stadt. Und plötzlich fühle ich mich einsam. Denn die Menschen, die mir auf der Straße begegnen, lächeln mich nicht an, die meisten gucken mir nicht mal ins Gesicht. Viele sind mit ihren Smartphones beschäftigt. Das ist das absolute Kontrastprogramm zu der Atmosphäre an Deck.

Skipper Patrick wartet auf den Wind

Skipper Patrick segelt schon seit er zehn Jahre alt ist. Obwohl er viel Verantwortung hat, kann er sich ein Leben ohne Segeln nicht vorstellen. Ein Video von dem Törn siehst du hier: