Als Zugezogener hat man es unter echten Kieler „Fischköppen“ mit der Kommunikation nicht immer leicht. Nicht selten scheitert ein Gespräch hier schon einmal daran, dass der Gesprächspartner schlicht nicht zum Reden zu bewegen ist. Den richtigen „Schnack“ (= Art und Weise zu Reden) zu kennen, kann da Wunder tun. Wer sich an unseren Gesprächsratgeber für Neu-Norddeutsche hält, ist so auf jeden Fall auf dem richtigen Weg:

Aussprache

Um oberhalb der Elbe nicht sofort als Zugezogener erkannt zu werden, muss zuallererst an der Aussprache gearbeitet werden. Mitgebrachte Dialekte aus der Heimat sind selbstverständlich abzulegen. Anschließend werden sämtliche harten Laute aus der Sprache verbannt. „tt“ wird zu „d“, „ck“ zu einem weichen „g“, ein „g“ am Ende des Wortes wiederum zu „ch“ und eine „-er“ Wortendung zu „a“ oder sogar „ä“. Ein „Kielä“ verschwendet keine Zeit für die akkurate Artikulation von Wörtern wie „Middach“ (Mittag) oder „troggen“ (trocken).

Moin.

Hat man die Aussprache gemeistert, kann es an den Konversationsversuch gehen. Jedes Gespräch beginnt in Kiel mit einem „Moin“. Tages- oder Nachtzeit spielen dabei keine Rolle. Das klingt zunächst einfach, ist jedoch nur die Spitze eines nicht zu unterschätzenden Eisbergs. Die Aussprache und da vor allem die Dehnung des „o“ gibt die Stimmung des nachfolgenden Gesprächs vor. Einem kurzen, geschäftigen „Moin.“ folgt in der Regel auch ein entsprechend effizienter Dialog. Ein „Moooin“ oder gar „Mohooin“ darf als Erlaubnis gedeutet werden, auch mal einen längeren Satz unterzubringen.
Die Spreu trennt sich allerdings vom Weizen, wenn es an die passende Antwort geht. Neulinge unter Druck fallen hier oft in die „Moin, Moin“-Falle. Anders als von Film und Fernsehen vorgelebt, ist das doppelte Moin nur etwas für echte Kieler oder Hamburger Originale. Für alle anderen gilt das Motto: „Es heißt Moin. Moin, Moin ist schon Gesabbel.“.
Nie wirklich falsch liegen kann man mit einem nüchternen Kopfnicken.

Um hier in Kiel nicht negativ aufzufallen, sollte man den örtlichen "Schnack" kennen. (Foto: Tim Hinz)

Um hier in Kiel nicht negativ aufzufallen, sollte man den örtlichen “Schnack” kennen. (Foto: Tim Hinz)

Jo

„Jo“ ist im Kieler Raum ein vollständiger Satz. Er ist universal einsetzbar und kann von „ja“ bis „dieses Gespräch ist hiermit beendet und ich möchte nie wieder über dieses Thema sprechen“ alles bedeuten. Die richtige Anwendung des „Jo“ bedarf einiger Übung. Für Anfänger sei gesagt: Ein gehörtes „Jo“ bedeutet in jedem Fall, dass das Gesagte bei dem Gegenüber angekommen ist. Gut beraten ist man nun wie immer mit einem erstmaligen Schweigen. Folgt dem „Jo“ zum Beispiel ein „Und selbst?“ darf das Gespräch als noch laufend betrachtet werden. Fortgeschrittene antworten hier übrigens ihrerseits: „Jo.“.

…,ne?

Hat man es geschafft, seinen Kieler in ein laufendes Gespräch zu verwickeln, fühlt man sich schnell ausgefragt. An den Satzenden eines Norddeutschen steht ein oft fragend klingendes „…,ne?“. Das kann eine Aussage wie „Schönes Wetter heute, ne?“ zweifelnd klingen lassen. Eine ausführliche, abwiegende Antwort bewirkt allerdings höchstens genervtes Kopfschütteln. Es handelt sich hier um eine eindeutige Aussage. Welchen Zweck der Kieler damit verfolgt ist nicht bekannt. Wahrscheinlich wollen sie damit einfach ein gemurmeltes „Jo.“ mehr provozieren.
Regeln gibt es bei der Nutzung kaum zu beachten. Satz bilden, „ne“ anhängen, fertig.

Der echte Norden

Die Grundlagen sind geschafft, jetzt gilt es auch die letzten Untiefen noch zu Umschiffen. Eigentlich ist der Norddeutsche an sich nicht leicht zu beleidigen oder wirklich ernsthaft zu verärgern. Kritisch wird es erst, wenn es im Gespräch mit Kielern um ihren Schleswig-Holsteinischen Nationalstolz geht. Die Regel ist leicht zu merken: „Alles unterhalb der Elbe ist Süddeutschland“. Egal ob Ihr aus Hannover, Bremen oder Wolfsburg kommt – versucht nicht darüber zu diskutieren. Für einen Kieler seid ihr keine Norddeutschen. Zusätzlich reagiert der Kieler allergisch auf Kritik an Landsleuten, Landschaft und Wetter. Tief in ihrem Herzen wissen sie, dass es vielleicht in Bayern unberührte Natur, in Mecklenburg-Vorpommern mehr Sonnenschein und in Hessen offenere Persönlichkeiten gibt. Wehe jedoch dem, der sie daran erinnert.
Allgemein sind für das Gespräch mit Kielern kurz abzuhandelnde, konfliktlose und unkomplizierte Themen am ehesten geeignet.

Tschüß.

Die Abschiedsformel der hier Geborenen ist so trocken und unbedenklich anwendbar wie schon der oben beschriebene Gesprächsstil. „Tschüß.“ ist im Norden für den Geschäftsführer und den Bäcker an der Ecke gleichermaßen die richtige Wahl. „Auf Wiedersehen“ oder ähnliche andernorts gängige Begriffe wirken auf langjährige Kieler fast überheblich.