Klopfen statt Klatschen

Hier wird geklopft statt geklatscht. Dieses Phänomen ist mir als ausländische Studierende sofort ins Auge gesprungen, als ich zum ersten Mal eine Vorlesung in Deutschland an der Universität besucht habe. Meine Vermutungen bezüglich der Ursachen von solchem Verhalten waren falsch, wie es sich gezeigt hat. In meiner Kultur ist es ein allgemeiner Aberglaube, dass man auf die Holzoberfläche klopft, um Unfall oder Unglück zu verhüten. Diesbezüglich dachte ich, dass die Studenten mit solchem Klopfen an Glück appellieren, um nicht durch die Prüfung zu rasseln. Bei uns in Russland klatscht man nach den Vorlesungen, in Moskau auf jeden Fall.

Bewegungsfreiheit

Die totale Bewegungsfreiheit auf dem Universitätsgelände hat bei mir zuerst auch Verwunderung ausgelöst. „Der Tag der offenen Tür“ – in solche Worten konnte man die alltägliche Situation auf dem Uni-Campus bezeichnen. Die Universitätsgelände sind zum Großteil frei zugänglich. Alle sind eingeladen, jeder sogar ohne Studentenausweis kann die Bibliothek, Mensa, Hörsäle oder Seminarräume besuchen. Es gibt überhaupt keine Zutrittskontrolle, keine Videoüberwachung, kein Sicherheitspersonal im Kontrast zu meinem Heimatland. Die Offenheit gehört in Deutschland geradezu zum Selbstverständnis einer Universität.

Lieblingsort Bibliothek

Universitätsbibliothek Kiel (Photo: privat)

Besondere Erwähnung verdienen deutsche studentische Bibliotheken. Ein Paradies für alle, die in der Stille ohne Ablenkungen studieren, lesen oder schreiben wollen. Bib ist ohne Übertreibungen sagend die Nummer eins in der Liste „Was mir wirklich während der Coronazeit fehlt“. Da konnte ich mich endlich Mal vor dem Kühlschrank verstecken, da kommen die Konzentration und die Motivation zu mir zurück. Ich kann nicht sagen, dass die russischen Bibliotheken schlimmer als die deutschen Büchersammlungen sind. Als Studierende der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau hatte ich die große Auswahl der Büchereien zur Verfügung, darunter auch die Lenin-Bibliothek, ein Mekka für Studenten und insgesamt Bücherwürmer. In der Leninka fühlt man sich mehr wie in der Kunsthalle, als in der Bücherei. Alte Bücher, antike Tische, grün gestaltete Säle, die Geschichte in der Luft, aber leider kein Wohlfühlen, keine richtige Stimmung zum Lernen. Vieles hängt natürlich von unseren Wahrnehmungen ab.

Andere Länder, andere Sitten

Im Übrigen geht bei vielen internationalen Studenten der erste Kulturschock vorbei und sie genießen das Studi-Leben im anderen Land. Die FHews-Redaktion hat im Folgenden einige internationale Studenten in Kiel gefragt, was sie am Studium in Deutschland ungewöhnlich und bizarr finden. Akademisches Klopfen war dabei, aber auch ein paar andere Sachen.

Shermine (Photo: privat)

Shermine, Studentin (CAU Kiel) aus Iran

„Falls man im Iran nicht in der Prüfung teilnehmen möchtet, kann man sich abmelden, sogar 1 Sekunde vor die Prüfungszeit. Wie haben nur ein Internetportal für alle nötige Informationen (Noten, Modulen, technische Fragen). Meiner Ansicht nach, die Regeln bei uns strenger sind. Du darfst nicht regelmäßig die Vorlesungen verpassen. Schon nach dem dritten Versuch bist du automatisch abgemeldet. Wenn es um die Moduleinschreibung geht, fühlt man sich wie bei einem Wettbewerb. Es gibt nur die begrenze Anzahl der Plätze, deswegen muss man richtig schnell sein. Die Qualität des Essens und die Auswahl in der Mensa hier in Deutschland sind viel besser. Im Iran gibt es nur ein Gericht pro Tag. Es ist fast unmöglich, ein vegetarisches Angebot zu finden“.

Susie (Photo: privat)

Susie, Doktorandin (CAU Kiel) aus Südkorea

“Nach den Vorlesungen in Südkorea sagen die Studenten alle zusammen Gamsahabnida, das bedeutet Vielen Dank. Die Studentenkarte läuft bei uns bis zum Abschluss des Studiums. Man braucht keine Validierung, Verlängerung. Außerdem wundert mich, warum alle Studierende in Deutschland den Rundfunkbeitrag bezahlen sollen? Sogar die ausländischen Studierenden und sogar diejenigen, die keinen Fernseher oder Rundfunk haben. Soweit ich weiß, in den modernen Studentenheimen, wo die Toiletten sich direkt im Zimmer befinden, muss jedes Zimmer GEZ bezahlen. In den alten Studentenwohnheimen mit gemeinsamen WC organisieren die Studenten die Gruppen und investieren zusammen in deutschen Medien. So kann man etwas sparen“.

Nikita (Photo: privat)

Nikita, Student (CAU) aus Russland

“Der Unterschied zwischen Deutschland und Russland besteht darin, dass man für jede Prüfung angemeldet werden muss. Bei uns brauchen die Studierenden die Anmeldung nur bei der Einschreibung, dann passiert alles automatisch. Darüber hinaus, finde ich den Vorgang der Anmeldung zu kompliziert. Ich, als ausländischer Student, muss mich in zwei verschiedenen Systemen registrieren. Was mich auch wundert, dass die Studierende in Deutschland sehr lange an der Uni studieren können. Bei einigen Studenten dauert es sogar 16 Semester. In meinem Heimatland gibt es eine bestimmte Anzahl der Semester, nicht mehr und nicht weniger. Man kann natürlich die Studienzeit etwas verlängern, zum Beispiel wegen Erkrankung oder aus familiären Gründen. In solchen Situationen nimmt man eine akademische Pause, die meistens nicht mehr als ein Jahr dauert. So sieht das bei uns aus“.

Das beliebteste nicht-englischsprachigen Gastland für ausländische Studenten

Trotz aller Ungewöhnlichkeiten zieht es zunehmend mehr internationale Studierende in die Bundesrepublik. Deutschland ist einer Untersuchung zufolge zum beliebtesten nicht-englischsprachigen Gastland für Studenten aus aller Welt aufgestiegen. Laut dem Bericht „Wissenschaft weltoffen 2019“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), haben im Jahr 2016 fast 252.000 internationale Studierende an deutschen Hochschulen studiert, rund 16.000 mehr als im Jahr 2015. Und die Zahlen steigen weiter. Im Wintersemester 2017/2018 waren schon 282.000 ausländische Studierende in der Bundesrepublik eingeschrieben. Als Grund für ein Studium in Deutschland nennen internationale Studierende die hohe Qualität der Hochschulausbildung und die finanziellen Vorteile. Die Lebenshaltungskosten hier sind ziemlich niedrig und fast in allen Bundesländern gibt es keine Gebühren.