„Meinst du das Studium an der FH ist das Richtige für dich?“ „Ja“. So sicher wie Sebastian sind wir nicht alle. Oft fragen wir uns, ob wir uns bei der Entscheidung Uni versus FH für die richtige Seite entschieden haben. Unistudent Minh Nhat und FHler Sebastian erzählen im Interview von den Vor- und Nachteilen ihrer Studienwahl.

Minh Nhat Nquyen, 22 Jahre alt, studiert an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Wirtschaftsingenieurwesen im siebten Semester. Sein Studienschwerpunkt ist Elektro- und Informationstechnik.

Minh Nhat Nquyen, 22 Jahre alt, studiert an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Wirtschaftsingenieurwesen im siebten Semester. Sein Studienschwerpunkt ist Elektro- und Informationstechnik.

Sebastian Richter, 22 Jahre alt, studiert an der Fachhochschule Kiel Elektrotechnik im dritten Semester.  Sein Studienschwerpunkt ist Energietechnik.

Sebastian Richter, 22 Jahre alt, studiert an der Fachhochschule Kiel Elektrotechnik im dritten Semester. Sein Studienschwerpunkt ist Energietechnik.

Warum hast du dich für das Studium an der Uni entschieden?
Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Die haben mich genommen. Ich habe mich auch noch an der FH Lübeck beworben, allerdings für Vertriebsingenieurwesen. Die haben mich tatsächlich ebenfalls aufgenommen. Aber ich wollte unbedingt an die Uni. Nicht weil ich die Uni besser finde, sondern weil ich unbedingt Wirtschaftsingenieurwesen machen wollte.
Hast du vor deinem Studium an der Fachhochschule Kiel schon woanders studiert?
Ja, ich habe hier in Kiel vier Semester an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) Elektrotechnik studiert.

Warum hast du dich entschieden zu wechseln?
Es gab einfach zu wenig Praxisbezug. Die Themen in der Vorlesung waren zu theoretisch und für mich zu wissenschaftlich.
Wusstest du vorher schon genau, dass du etwas mit Elektro- und Informationstechnik machen willst?
Ich wollte auf jeden Fall in die Richtung gehen. Ich habe viel Physik in der Schule gehabt und ich wollte unbedingt irgendwas mit Technik machen, aber nichts rein Technisches. Das würde mich doch zu sehr langweilen. Deshalb habe ich mich dann für Wirtschaft entschieden.
Warum hast du dich dafür entschieden, Elektrotechnik zu studieren?
Ich bin ein technikaffiner Mensch, das interessiert mich einfach. Da das Angebot hier in Kiel da ist, habe ich die Chance ergriffen.
Minh Nhat entschied sich für die Uni wegen dem  Studiengang, nicht aufgrund des Ansehens oder des Standortes.

Minh Nhat entschied sich für die Uni wegen dem Studiengang, nicht aufgrund des Ansehens oder des Standortes.

Sebastian kennt beide Seiten: Er hat erst an der CAU Elektrotechnik studiert und ist dann an die FH gewechselt.

Sebastian kennt beide Seiten: Er hat erst an der CAU Elektrotechnik studiert und ist dann an die FH gewechselt.

Stellt ihr euren Stundenplan selbst zusammen oder bekommt ihr den vorgegeben?
Wir haben für jedes Semester Module vorgesehen, die müssen wir aber nicht unbedingt machen. Wir können uns selber aussuchen was wir wann machen wollen. Die Module müssen bloß alle abgehakt sein. Es gibt auch nur sehr wenige Fächer, die aufeinander aufbauen.
Stellt ihr euren Stundenplan selbst zusammen oder bekommt ihr den vorgegeben?
Wir können aus verschiedenen Semestergruppen auswählen, aber generell ist der Stundenplan vorgegeben. Da verschieben sich nur teilweise die Übungs- und Labortermine. Eigentlich können wir uns den nicht aussuchen.
Habt ihr auch Wahlpflichtmodule?
Bei unserem Studiengang gibt es nur ein Wahlpflichtmodul. Ich glaube bei den reinen Elektroingenieuren gibt es viel mehr, aber wir haben nur eins.
Habt ihr zusätzlich dazu Wahlpflichtmodule?
Ja, wir haben Wahlpflichtmodule in den höheren Semestern. Ich glaube es sind drei oder vier Module innerhalb von drei, vier Semestern. Die muss man belegen. Sie müssen aber nicht unbedingt nicht-technisch sein. Wir können uns durchaus auch weitere technikbezogene Themen heraussuchen. Das war an der Uni anders, dort musste man ein nicht-technisches Wahlpflichtfach haben.
Wie gut kennt ihr eure Professoren oder eure Professoren euch?
So gut wie gar nicht. Wir kennen sie wirklich nur aus der Vorlesung. Wenn wir Fragen haben, dann können wir natürlich zu ihnen gehen oder uns per E-Mail melden. Aber wenn man an keinem Projekt mit ihnen arbeitet, kennt man sie nicht persönlich.
Wie gut kennt ihr eure Professoren oder eure Professoren euch?
Einige Professoren kennen die Studenten beim Namen, nicht viele, aber einige. Wenn ich bei meiner Arbeit bei Raceyard [Formula Student Team der Fachhochschule Kiel] Hilfe brauche oder technische Fragen habe, habe ich mehr mit den Professoren zu tun. Sonst kommt man eigentlich eher weniger mit denen in Berührung.
Aus wie viel Theorie und wie viel Praxis besteht euer Studium?
Ich würde schon sagen, dass wir sehr, sehr viel Theorie haben. Praxis ist … also, ich habe einen Praktikumsplatz. Dort hatte ich ein Gespräch und mir wurden Praxisfragen und theoretische Fragen gestellt. Mit der Theorie kam ich sehr gut klar, aber bei den praktischen Fragen kam ich ins Schwitzen. Unser Studium ist wirklich sehr abstrakt und theoretisch.
Welche Beispiele gibt es bei euch für den Praxisbezug?
Bei der Laborarbeit bauen wir unter anderem Schaltungen auf, untersuchen sie und erstellen dazu einen Bericht. In den höheren Semestern kommen außerdem Projektarbeiten dazu. Man kann da natürlich zum Professor gehen und sich ein Thema abholen. Man kann aber auch über den Tellerrand hinausschauen und dem Professor ein Thema anbieten.
Wie viel von dem, was ihr im Studium lernt, könnt ihr praktisch ausprobieren?
Sehr, sehr wenig. Wir haben zwei, drei Unipraktika. Aber da lernt man wirklich nur grundlegende Sachen. Ich würde nicht sagen, dass ich es mit den Leuten der FH aufnehmen und zum Beispiel einen Verstärker um die Wette bauen könnte.
Das Raceyard-Team an der FH bietet Sebastian die Möglichkeit, sein Wissen außerhalb des Hörsaals anzuwenden.

Das Raceyard-Team an der FH bietet Sebastian die Möglichkeit, sein Wissen außerhalb des Hörsaals anzuwenden.

Minh Nhat fehlt in seinem Studium vor allem die Anwendung des Gelernten in der Praxis. Einen Wettbewerb im Verstärkerbauen gegen FH-Studenten würde er sich deshalb nicht zutrauen.

Minh Nhat fehlt in seinem Studium vor allem die Anwendung des Gelernten in der Praxis. Einen Wettbewerb im Verstärkerbauen gegen FH-Studenten würde er sich deshalb nicht zutrauen.

Würdest du sagen, dass euch kritisches Hinterfragen oder Theorie fehlen?
Mir persönlich fehlt das überhaupt nicht. Ich denke auch nicht, dass es uns als Ingenieuren hinterher fehlt. Die meisten von uns werden nicht in der Forschung arbeiten, alleine schon deshalb, weil wir „nur“ einen Fachhochschul-Abschluss haben. Aber wenn man in der Praxis arbeitet und keine neuen Sachen entwickelt, braucht man kaum die Theorie hinter der Theorie. Ich wage zu bezweifeln, dass man das, was an der Uni gelehrt wird, in dem Maße braucht, wenn man hinterher nicht in der Forschung arbeitet. Das kann sicherlich in Einzelfällen anders sein, aber generell glaube ich das nicht.
Wie viel müsst ihr zuhause machen? Selbstlernstunden heißt das bei uns…
Meine Lerngruppe und ich sind da ein bisschen eigen. Wir gehen kaum zur Vorlesung, nur die ersten zwei Wochen vielleicht. Zur Übung gehen wir schon öfter, zu jeder zweiten Übung ungefähr. Zuhause lernen wir eigentlich gar nicht. Das beschränkt sich auf die Prüfungswoche: da setzen wir uns dann hin und lernen von 10 Uhr morgens bis 5 Uhr am nächsten Tag.
Wie viele Selbstlernstunden habt ihr?
Wir haben zu jedem Fach das Angebot Übungsblätter zu machen. Ob man die macht oder nicht, ist dann die Frage. Ich denke mal zum Vorlesungsplan kommt pro Fach eine Stunde für die Übungen dazu. Das sollte man eigentlich schaffen.
Wie sehen diese Übungen denn bei euch aus?
Das ist quasi wie eine Vorlesung, nur wird dort gerechnet. Einer steht an der Tafel und rechnet etwas vor. Man bekommt die Aufgaben eine Woche vorher und guckt sich die zu Hause an. Die Musterlösung gibt es dann in der Übung. Anwesend sind durchschnittlich 60 Leute. Mal mehr, mal weniger. Das kommt auf die Übung an.
Wie viele Leute sind bei euch durchschnittlich in einer Übung?
Wenn wir eine Tafelübung in Mathe haben, sind wir so 20 bis 25 Leute. Da wird man durchaus persönlich angesprochen. Man geht auch an die Tafel und rechnet Sachen vor. Drüben [an der Uni] war das anders. Da saß man schon mal mit dem ganzen Semester in der Übung. Dort hat dann aber keiner vorgerechnet, da wurden Aufgaben vorgeturnt. Das war’s.
Problemstellungen werden an der Uni vor allem mit Stift und Papier gelöst. Das ist vor allem für Leute, die später in der Forschung arbeiten wollen, interessant.

Problemstellungen werden an der Uni vor allem mit Stift und Papier gelöst. Das ist vor allem für Leute, die später in der Forschung arbeiten wollen, interessant.

Für Leute, die Dinge besser lernen, wenn sie sie ausprobieren können, ist das FH-Studium das Richtige.

Für Leute, die Dinge besser lernen, wenn sie sie ausprobieren können, ist das FH-Studium das Richtige.

Die technische Fakultät der Universität in Kiel befindet sich auf dem Ostufer. Zumindest das haben Fachhochschule und Universität gemeinsam.

Die technische Fakultät der Universität in Kiel befindet sich auf dem Ostufer. Zumindest das haben Fachhochschule und Universität gemeinsam.

Du hast gesagt „nur“ FH-Abschluss. Ist es so, dass man als FH-Absolvent schlechtere Chancen auf einen Platz in der Forschung hat?
Ich will nicht sagen, dass man gar nicht reinkommt. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es einem einfach gemacht wird. Wenn man neue Phänomene erforschen will, geht das im Moment in der Elektrotechnik sehr schnell in Physik über. Und unsere Physikausbildung ist eben nicht so tiefgehend wie die an der Uni oder die eines Physikers, der das reine Fach studiert hat. Ich denke in der Forschung der Elektrotechnik sind eher Physiker gefragt als reine Elektroingenieure. Die Physiker haben von klein auf gelernt, was wir eigentlich nur praxisbezogen anwenden wollen.
Was findest du besonders gut an der Uni?
Dass man so viel Freiheit hat. Sie erwarten wirklich nur von dir, dass du zum Prüfungstermin erscheinst und deine Prüfung ablegst. Aber alles andere, was wir wann wie machen, ist uns wirklich freigestellt.
Was gefällt dir besonders an der FH?
Auf jeden Fall der Praxisbezug. Man lernt, Probleme zu lösen und nicht wie die ganze Theorie dahinter ist. Gerade das hat mir an der Uni gefehlt. Dort hat man Definitionen von Problemen erzählt bekommen und musste sich daraus selber zusammenbauen wie man damit Probleme lösen kann. Das ist sicherlich für den ein oder anderen das Richtige, für mich war es das nicht.
Was würdest du gerne ändern?
Ich würde tatsächlich mehr Projekte wollen. Selber was zusammenbauen, in der Werkstatt tatsächlich mal mit der Hand arbeiten und gucken, wofür wir das gelernt haben. Aber ich glaube, das versuchen sie gerade zu ändern. Ich habe ein paar Erstsemester gefragt und die bauen schon jetzt etwas zusammen. Total gut.
Für Minh Nhat ist der große Vorteil der Uni die freie Zeiteinteilung. Im Semester lernt er kaum, direkt vor den Prüfungen dafür rund um die Uhr.

Für Minh Nhat ist der große Vorteil der Uni die freie Zeiteinteilung. Im Semester lernt er kaum, direkt vor den Prüfungen dafür rund um die Uhr.

Was würdest du an der FH gerne ändern?
Ich fand das Konzept der Labore in der Uni nicht schlecht. Da hat man erst im dritten Semester ein Labor betreten. Das ist auf der einen Seite gut gewesen, weil man schon zwei Semester Theorie gelernt hat und interessantere Laborversuche machen konnte, als wenn man als Erstsemester in der zweiten Woche in ein Labor kommt. Auf der anderen Seite hat man erst im dritten Semester praktisch etwas mit Elektrotechnik gemacht. Wenn ich an die FH denke, fällt mir nicht viel ein, von dem ich sagen würde: „Das finde ich gerade richtig mies, das ist totaler Blödsinn.“. Die Praxis zeigt: Das funktioniert gut.
Für wen macht das Unistudium Sinn?
Auf jeden Fall für Leute, die in die Forschung gehen wollen.
Für wen ist das Studium an der FH das Richtige?
Für Leute, die Sachen eher verstehen, wenn sie sie machen. Also für jemanden, der irgendwas anfassen muss, um das zu verstehen. Wer wirklich die tiefe Theorie hinter Sachen verstehen will ist hier nicht richtig aufgehoben.
Meinst du das Studium war das Richtige für dich?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe mich auch schon öfter gefragt, ob das für mich das Richtige ist und ich kann es leider nicht sagen. Ich weiß halt nicht, wie es an der FH ist. Ich habe mich mit Leuten aus der FH unterhalten und das, was die machen, das, was die lernen, scheint mir doch interessanter zu sein. Bei uns ist es so trocken, wir lernen wirklich nur mit Stift und Papier.
Meinst du, dass das Studium für dich an der FH das Richtige ist?
Ja.
Sebastian ist mit seinem Wechsel an die FH zufrieden. Besonders gut gefällt ihm der hohe Praxisbezug.

Sebastian ist mit seinem Wechsel an die FH zufrieden. Besonders gut gefällt ihm der hohe Praxisbezug.

Weißt du schon, wie es für dich weitergeht?
Ich will auf jeden Fall den Master machen.

Hier an der Uni?
Ich glaube ja.

Weißt du schon, wie es für dich nach dem Studium weitergehen soll?
Tendenziell ist Energietechnik das Thema. Das geht uns alle an. Hier im Norden ist es mit den Firmen, die hier angesiedelt sind, nicht verkehrt sich in dem Bereich Energietechnik weiter – oder ausbilden zu lassen. Aber ob man das dann wirklich macht, ist eine ganz andere Frage. Wer arbeitet nach zehn Jahren noch in dem Job, den er mal gelernt hat? Mal sehen.