Am Sonntag, den 7. Mai, ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Insgesamt sind rund 2,321 Millionen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in 35 Wahlkreisen zur Abstimmung aufgerufen. Erstmalig dürfen auch 16-jährige mit abstimmen. Etwa 200.000 Menschen können zum ersten Mal an der Landtagswahl teilnehmen, da sie seit der letzten Wahl 16 beziehungsweise 18 Jahre alt geworden sind. Doch mache ich mit meiner Stimme überhaupt einen Unterschied?

Laut einer aktuellen Vorwahlumfrage (vom 28.04.2017) des Umfrageinstituts infratest dimap im Auftrag des NDR, käme die CDU auf 32 Prozent der Stimmen und damit auf einen Prozentpunkt mehr als die SPD mit 31 Prozent. Die Grünen kämen – entgegen dem Bundestrend – auf 12 Prozent, gefolgt von der FDP mit 8,5 Prozent. Die Linke wäre mit 4,5 Prozent nicht im Landtag vertreten. Die AfD käme bei dieser Sonntagsfrage auf 6 Prozent. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) wird mit 3 Prozent prognostiziert, wäre aber im Landtag vertreten, da er als Minderheitenpartei von der 5-Prozent-Hürde befreit ist. Die derzeit noch im Landtag vertretenen Piraten sind weit abgeschlagen.

Aus der jüngeren Vergangenheit weiß man allerdings, dass Umfragen täuschen können. Noch dazu liegen derart kleine Unterschiede in den Prognosen im Bereich des „Margins of Error“, also innerhalb der Fehlertoleranz der Erhebung. Nach Angaben von infratest dimap handelte es sich bei der Umfrage um eine repräsentative Zufallsauswahl (Randomstichprobe), durchgeführt mittels Telefoninterviews (CATI) am 25. und 26. April 2017 mit 1003 Befragten. Die Fehlertoleranz liegt dabei nach eigenen Angaben zwischen 1,4 und 3,1 Prozentpunkten, bei den großen Parteien also bei plus/minus drei Prozentpunkten.

Zudem hätten sich üblicherweise 20 bis 35 Prozent der Wahlberechtigten zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht entschieden, ob sie zur Wahl gehen und welcher Partei sie gegebenenfalls ihre Stimme geben. Bei weiteren 20 Prozent der Befragten könne sich die angegebene Parteipräferenz nach eigenen Angaben noch ändern. Darüber hinaus besteht keine Garantie dafür, dass die Befragten am Telefon wahrheitsgemäß antworten. Sozialforscher sprechen von sozial erwünschtem Verhalten, wenn bei Umfragen nicht so geantwortet wird, wie man wirklich denkt, sondern wie man denkt dass es von einem erwartet wird.

Ein Unterschied in den Prognoseergebnissen von einem Prozentpunkt – wie derzeit zwischen CDU und SPD – sagt also statistisch weniger über die tatsächlichen Umfrageergebnisse als über die Ungenauigkeit der Messmethode aus. Dasselbe gilt für die Frage der 5-Prozent-Hürde bei AfD und Linke. Dieselbe Prognose lässt statistisch also auch den Schluss zu, dass die SPD vor der CDU liegt, die Linke in den Landtag kommt und die AfD nicht. Entschieden wird das Rennen erst mit der Abgabe der Stimme am Sonntag – und diese Entscheidung wird knapp.

Wieviel ist 1 Prozent?

Der Kieler Landtag hat 69 Sitze, sodass die absolute Mehrheit mit 35 Mandaten erreicht wäre. Bisher haben sowohl CDU also auch SPD 22 Sitze, die „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und SSW insgesamt exakt die benötigten 35 Sitze. Bei der Wahl 2012 gaben also nur wenige Prozentpunkte den Ausschlag.

Die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein lag bei der Landtagswahl 2012 bei 60,2 Prozent. Bei der Wahl im Saarland im März dieses Jahres lag die Wahlbeteiligung auf einem Rekordwert von 69,7 Prozent. Dennoch machen Nichtwähler einen großen Anteil aus. Würden sie geschlossen für eine Partei abstimmen, wären sie vermutlich die größte Fraktion. Allerdings ist schwer zu sagen, welche Partei die Nichtwähler nicht wählen. Oder umgekehrt: Würden sie wählen, wählten sie sicher nicht alle dieselbe Partei. Dennoch macht es für die Sitzverteilung im Landtag einen Unterschied, wie viele Leute tatsächlich zur Wahl gehen und ihre Stimme abgeben.

Damals erhielt die CDU 30,8 Prozent der Stimmen, die SPD 30,4 Prozent, die Grünen 13,2 Prozent, die FDP und die Piraten jeweils 8,2 Prozent, der SSW 4,6 Prozent und die Linke 2,3 Prozent. Ähnlich wie die Umfrage für diesen Sonntag war es also auch damals recht knapp. In absoluten Zahlen machten gerade einmal 4.589 Wählerinnen und Wähler den Unterschied von 0,4 Prozentpunkten zwischen CDU (408.637 Zweitstimmern) und SPD (404.048 Zweitstimmen) aus.

Geht man für die Landtagswahl 2017 bei 2,3 Millionen Wahlberechtigten von einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent aus, so würden am Sonntag rund 1,495 Millionen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner den Weg an die Urnen finden. Rechnerisch bräuchte man bei dieser Wahlbeteiligung also 14.950 Wähler für einen Prozentpunkt. Läge die Wahlbeteiligung bei lediglich 50 Prozent, so würden bereits 11.500 Zweitstimmen einen Prozentpunkt ausmachen. Je weniger Menschen zur Wahl gehen, desto mehr Gewicht hat also die Stimme derer, die abstimmen. Weniger Menschen entscheiden also mit mehr Einfluss über die Zukunft von allen.

5-Prozent-Hürde

Wie viele Stimmen braucht aber eine Partei, um die 5-Prozent-Hürde zu erreichen und in den Landtag einzuziehen? Nimmt man eine Wahlbeteiligung von 50 Prozent bei 2,3 Millionen Wahlberechtigten an, so wären dies 57.500 Stimmen. Bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent bräuchte man schon 69.000 Stimmen, bei einer hohen Wahlbeteiligung von 70 Prozent sogar 80.500 Stimmen.

Gingen also statt nur rund 1,15 Millionen Wählerinnen und Wähler (50% Wahlbeteiligung) am Sonntag 1,49 Millionen Schleswig-Holsteiner zur Wahl (65% Beteiligung), bräuchte eine Partei rund 17.000 Stimmen mehr, um die 5-Prozent-Hürde zu erreichen – allein aufgrund der höheren Wahlbeteiligung. Je höher die Wahlbeteiligung, desto höher die absolute Zahl der notwendigen Stimmen, desto mehr Menschen müssen also tatsächlich ihre Stimme für eine Partei abgeben, damit diese die 5-Prozent-Hürde erreicht.

Wahltag

Neben den Ergebnissen aus den Zweitstimmen gibt es auch noch die Direktkandidaten der einzelnen Wahlkreise, über die die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Erststimme entscheiden. Übertrifft die Zahl der Direktmandate die Zahl der Sitze der Zweitstimme, können Überhangmandate die Sitzverteilung noch ändern. 2012 hatten weder CDU noch SPD Überhangmandate, sodass die Gesamtzahl der Sitze im Landtag bei 69 blieb.

Anders als Prognosen basieren die Hochrechnungen am Wahlabend nach 18 Uhr übrigens nicht auf Umfragen, sondern auf realen Ergebnissen. Nach und nach liefern die Wahlkreise nach Auszählung der Stimmzettel Ergebnisse, die dann im Verlauf des Wahlabends schrittweise immer exaktere Hochrechnungen erlauben. 2012 gab es das vorläufige amtliche Endergebnis erst am frühen Montagmorgen. 2017 verspricht ähnlich spannend zu werden – auch weil bei diesen knappen Prognosen jede Stimme einen Unterschied macht.